KÜNSTLERISCHE LEITUNG / REGIE : Thomas J. Jelinek
KOMPOSITION / SOUND-ARCHITEKTUR: Jorge Sánchez-Chiong
CAST
Text, Diskurs-dramaturgie und performance…..……........……....Marian Kaiser
Sampling music performance, cello, and vocals……...MELA Marie Spaemann
Sound-art and programming………………….…..……………........…..Pit Noack
Photographic body installation…………………..…….....Christina Hartl-Prager
Performer, actor, mathematics…………..………………………...Max Hoffmann
Conceptual installation, economics…………..…………..……….Gerald Nestler
Relic Hunter …..…..…….............................…….………….…….Lucie Strecker
Soundscape, guitar…………………..……..……..……………..…..Florian Kmet
Physical installation and game programming……...Thomas Wagensommerer
Video, performance…………………..…..……………………Louise Linsenbolz
Multi-Percussionist, sound-scape creator……………David Christopher Panzl
Performance ................................................................................... Palma Biro
Video conception ................…………………..………….….……….Peter Koger
live-eye camera .....................................................................Georg Eisnecker
Sound engineering…………………..…………………......………Florian Bogner
Bio-cycle engineering ..................................................................Roman Harrer
Produktion…………………..….……..……….........Roma Janus / ROCONCEPT
GAST EXPERT_INNEN
Hanada Al Refai…….......... Mathematician, political activist, from Syria, in Vienna as refugee
Margarete Jahrmann...... Artist and 'pataphysicienne, Prof. Game Design, Kunst Univ. Zürich
Stefan Glasauer.............................. Neuroscientist, Prof. Ludwig-Maximilian Univ. Münichen
Armin Medosch……….......... Artist, media expert, journalist, and Prof. at Belgrade University
of Media and Arts
further team and special cooperations
Ulli Kühn ................................ Wikipedia-picture machine
Friedrich Hausen …............... philosopher and writer, textsupport for questionairs
Und weiteren Gästen
PRODUKTION: NOMAD.theatre
Eine Koproduktion: mit den MUSIKTHEATERTAGEN WIEN
und:
Werk X • Tanzquartier Wien • ZENTRALWERK Dresden • MEDIA OPERA Wien
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Wir schreiben jeden Tag Geschichte, jede_r von uns kreiert Wirklichkeit. Jede Minute. Jede Sekunde nimmt Entropie zu.
Unordnung, Diskontinuität, Desinformation, Auflösung und Zerfall schaffen konkrete entropische Phänomene. Die Destabilisierung Europas, des Sozialgeflechts, Korruption, Klimawandel, Selbstmordattentäter, Krieg erzeugen Depression, ADHS bei Jugendlichen, Orientierungslosigkeit, Burnout, Entscheidungsschwäche. Menschen engagieren sich zunehmend aber ebenso viele flüchten in Verdrängung und Spaßgesellschaften.
Zunehmend reagieren auch Menschen, aus Angst und Überforderung, mit irrationalen Weltbildern, der Suche nach Feindbildern und einfachen Lösungen, politischer und religiöser Radikalisierung.
Entropie scheint den gegenwärtigen Zustand der menschlichen Zivilisation auf dem Planeten treffend zu charakterisieren.
Aber wenn der Begriff, popularwissenschaftlich, als Maß der Unordnung oder Unberechenbarkeit von zukünftigen Ereignissen benutzt, auf den ersten Blick sehr einfach scheinen mag, ist Entropie äusserst komplex und eine fundamentale Zustandsgröße der Thermodynamik, die eine der grundlegendsten physikalischen Mechanismen des Universums beschreibt.
Der Begriff Entropie ist hier der pataphysische Ansatz, eine Aussage über unsere gegenwärtigen Wahrnehmungszustände und daraus resultierenden Entscheidungen zu machen.
Zusammen mit einem Ensemble ausgesuchter Expert_innen aus Kunst, Wissenschaft, Aktivismus und Musik erzeugen Thomas J. Jelinek und Jorge Sanchez-Chiong einen komponierten Diskursraum, eine performative Raum-Ton-Installation als interaktive Oper zur Realitätsprojektion der Gegenwart.
Mit dem Publikum, beginnt eine Reise durch die Wahrnemungen und persönlichen Positionen, aus verschiedensten Gründen, spezieller Menschen und ihrer Geschichten, die durch die aktive Anwesenheit des Publikums einen kommunikativen und musikalischen Resonanzraum erzeugt. Aus der Kommunikation entsteht ein Fraktal unserer Gegenwart. Eine Gegenwarts-Oper.
In der Auflösung, mit dem Wärmetod des Universums als barockem „Memento Mori“ der Gegenwart und dem Derivat als letzter „absoluten“ Werteskala, gerät der sozio-politische Kollaps zur
Performance in der sich die menschlichen Strategien inszenieren, im Versuch sich in einem unüberschaubaren, dynamischen System zu organisieren, um darin zu überleben...
in unserer heutigen Informationsgesellschaft, des weit ausgedehnten Halbwissens, steht unser Weltbild und der Umbruchprozess unserer Gegenwart zur Verhandlung.
Dieser lässt sich durchaus nicht nur auf globaler politischer, ökonomischer oder ökologischer Ebene, medialer Wirklichkeitskonstruktion führen, sondern zeigt sich in den Fraktalen der Gesellschaft und des Individuums. Es lässt also die persönliche Erfahrung, den persönlichen Blick als Argument zu.
Das Fraktal ist ja, auch wenn es noch so klein ist, Bild des Gesamten.
Die Haltung und Meinung hat also Relevanz, unabhängig davon wie wichtig oder unwichtig wir uns im Gesamtgeschehen selbst einschätzen.
Was tue ich also hier eigentlich? Ist Entropie die unausweichliche Auflösung in eine laue breite Masse oder der chaotische Auflösungszustand vor einer sich neu formierenden Ordnung? Wie verändern sich menschliche Ziele und Handlungsweisen angesichts eines sich verändernden Weltbildes?
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ZENTRALWERK
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Once in a great while an idea changes the course of history.
The Entropy Law--or the Second Law of Thermodynamics--is such an idea. It states that all energy flows inexorably from the orderly to the disorderly and from the usable to the unusable. According to the Entropy Law, whenever a semblance of order is created anywhere on earth or in the universe, it is done at the expense of causing greater disorder in the surrounding environment. This law was first propounded in the 19th century, but its full implications are only now being felt and explored. Entropy tells us that the world is winding down, and is to the future what the theories of Copernicus and Newton were to the 16th and 17th centuries-a concept both simple and earth-shattering. It is an idea that is already changing the values and goals of philosophers, politicians, scientists, businessmen, and economists. The Entropy Law is about to become an integral part of our world view.
Jeremy Rifkin
Der politischen, sozialen und wissenschftlichen Bankrotterklärung, der traurigen Konstitution unserere Spezies stellen wir uns >un-ernsthaft< entgegen.
Es geht um den Anfangspunkt des Denkens, auf der Höhe der Zeit, von dem weg - in einer gemeinsamen Kraftanstrengung aller am Prozess Beteiligten - ein Raum geschaffen wird, in dem mit künstlerischen Mitteln unsere Gegenwart, in Fraktalen, rekonstruiert wird.
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In einer immer komplexer gedachten / vorgestellten und damit an Komplexität potenzierten Welt sucht der Mensch, als individuelles Wesen seinen Platz im Koordinatensystem, sucht nach Überlebensstrategien, muss Entscheidungen treffen die seinen Erfahrungsschatz scheinbar
weit überfordern und geht der Frage nach wie viel Selbstbestimmung sie/er sich eigentlich zuschreiben kann.
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Das faktische Wissen nimmt allein in einem Zeitraum eines Jahres in einem Ausmass zu, dass es einem einzelnen Menschen nicht möglich ist innerhalb seiner Lebenszeit dieses zu erfassen.
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Die politischen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Probleme und Fragestellungen der Gegenwart haben ein Maß an Komplexität erreicht dem unsere politischen und systemischen Entscheidungsstrukturen nicht annähernd gewachsen sind. Wir stehen als Individuum und als Spezies
offenbar an einem Punkt ohne Wiederkehr an dem wir zu entscheiden haben. Aber...
Nachdem ich das „Theater“, das auch Performance, Aktionsraum oder diskursive Installation heissen etc. kann, als Ort der Verhandlung, der Gegenwart und seiner relevanten Fragen, sehe, kann auch gesagt werden: der Umbruchprozess unserer Gegenwart steht zur Verhandlung.
Dieser lässt sich durchaus nicht nur auf globaler politischer, ökonomischer oder ökologischer Ebene, medialer Wirklichkeitskonstruktion führen, sondern zeigt sich in den Fraktalen der Gesellschaft und des Individuums. Es lässt also die persönliche Erfahrung, den persönlichen Blick als Argument zu.
Die Haltung und Meinung hat also Relevanz unabhängig davon wie wichtig oder unwichtig wir uns im Gesamtgeschehen selbst einschätzen.
Was tue ich also hier eigentlich? Ist Entropie die unausweichliche Auflösung in eine laue breite Masse oder der chaotische Auflösungszustand vor einer sich neu formierenden Ordnung? Wie verändern sich menschliche Ziele und Handlungsweisen angesichts eines sich verändernden Weltbildes?
Durch die Möglichkeiten komplexer digitaler Datensysteme und Technologien ist die Menschheit bereits in die Makro und Mikrodimensionen bis in den Nanobereich eingedrungen und erfassen Abläufe und die Dinge des Kosmos die uns bis jetzt verborgen waren. Sehen wir die Kosmischen und atomaren Abläufe oder sehen wir ein ausgedehntes Bild der Steuersysteme, ein gigantisches Bild unserer selbst?
Kann eine Gesellschaft die sich der Ökonomie als oberstes und an Absolutheit grenzendes Prinzip, als Ableitung aus der materiellen Gesetzmässigkeiten der Welt, verschrieben hat, auf Veränderungen von Parametern eben dieser überhaupt noch reagieren?
Oder ist Entropie die letzte Ausrede?
Unwissenschaftlich verkürzt gesprochen, ist Entropie das Mass für die Unberechenbarkeit von Teilchen - von Verhalten - in einem geschlossenen System.
Man könnte also auch sagen, es ist ein Mass für die Unvorhersehbarkeit ablaufender Prozesse.
Die Thermodynamik besagt dass Entropie – in geschlossenen System immer zunimmt und nicht verringert werden kann.
Übertragen können wir unsere Erde, das kleine „Raumschiff“ mit dem wir durch das lebensfeindliche Weltall rasen, ein eben solches Abgeschlossenes ist – auch wenn das physikalisch nicht wirklich richtig ist, so werden wir auf menschlicher, praktischer Ebene dem nicht entkommen.
Und wenn die Sätze der Thermodynamik richtig sind, dann bedeutet Entropie auch, dass wir den Prozess, wie auch die Zeit nicht umkehren können, wir können also nicht mehr zurück.
Genau an diesem Punkt – dem Point of no return – setzen wir unser Projekt fort.
Jelinek
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11-04-2015
1sr ENTROPY - LAB im ZENTRALWERK Dresden
MIT/with / kollaborative AkteurInnen:
Anja Kempe, Anna Till, Barbara Lubich, Cizzy Gonzales,
Conny Crumbach, Friedrich Hausen, Marian Kaiser, Käthe Kruse,
Ka Dietze, Mathias Kuhnt, Pit Noack, ray vibration,
Teresa Hackel-Fröbel, Prof. Wolfgang Lessing u.a.
Bei Thermodynamik denke ich an den schönen Kittler-Kopfschüttler: 'Fin de siècle? Das ist doch Ausbuchstabierung der Thermodynamik.' Und, professionell deformiert, selbstredend an die Umkehrung thermodynamischer Prozesse, wenn eben um 1900 plötzlich technische Medien denselben ein zeitkritisches Schnippchen schlagen und (insbesondere in der Akustik) Ereignisse in ihrer Zeitlichkeit selbst speicherbar, verarbeitbar und übertragbar werden lassen - die Worte der Leute und die Geräusche der Welt zu allerseitigem Entsetzen Welt plötzlich munt er vor- und zurücklaufen lassen. Diesseits von Zeitachsenmanipulationen treibt mich der Wahnsinn um. Die mich und sich dieser Tage bis ins gelegentlich Unerträgliche zieh ende Dissertation zu Kultur und Wahnsinn, zur Kolonialisierung und Globalisierung europäischer Klassifiaktionen des Wahnsinns um 1900, an der ich immer wieder und immer noch schreibe, verfolgt unter anderem, wie das Laborwissen aus den psychophysisch en Apparate hinaus in die Klinik und die Patienten hinein gelangt. Dabei erscheint die ( später zur 'Schizophrenie umfomulierte) 'Dementia Praecox' des deutschen Begründers der klinischen Psychiatrie Emil Kraepelin als thermodynamische Angelegenheit. Kein Wunder, wird Kraepelin doch nicht nicht als Psychiater ausgebildet, sondern von Wilhelm Wundt in Leipziger und Heidelberger Laboratorien. Deren Experimentalwissen schleppt er in die Psychiatrie und ihren Wahnsinn ein - gemeinsam mit einem Begriff von Arbeit und Vorstellungen von Systemen, die Wundt wiederum seinem Lehrer Helmholtz abgelauscht hat. Und der hat in seinem Aufsatz Ueber die Erhaltung der Kraft unabhängig von Mayer immerhin den Energieerhaltungssatz aufgestellt ("ARBEIT, WIR MÜSSEN ARBEIT ENTGEGENSET ZEN!").
Am Ende geht alle Wissenschaft in Biopolitik und Kolonialismus auf. Wahnsinn ist Entropie. Arbeit das Einzige und Letzte, was wir ihm entgegenzusetzen haben.
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